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    Neuronale und psychologische Korrelate sozialer Präferenzen

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    Prosoziale Entscheidung sind Entscheidungen, die die Auswirkung auf andere Personen berücksichtigen und von denen andere Personen profitieren. Aktuelle Erkenntnisse der sozialen Neurowissenschaften sowie der Neuroökonomie legen nahe, dass prosoziale Entscheidungen Hirnareale aktivieren, die im Kontext individueller Entscheidungen mit Belohnung assoziiert sind (u.a. ventromedialer prefrontaler Cortex, medialer orbitofrontaler Cortex, Nucleus Accumbens; Ruff & Fehr, 2014). Dies eröffnet die allgemeine Frage, ob prosoziale Handlungen für den Akteur „belohnend“ sind und folglich neuronale Indikatoren eines Belohnungsempfindens beobachtet werden können. Darüber hinaus stellt sich die spezifischere Frage, ob soziale und individuelle (die eigene Person betreffende) Entscheidungen von Aktivität in den gleichen Hirnarealen begleitet werden. Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen tragen die Erkenntnisse der vorliegenden drei Studien, mit Hilfe der Methode der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT), bei. Es handelt sich bei den drei Studien um die SVO-Studie, die Charity-Studie und die Effort-Studie. Die SVO- und die Charity-Studie untersuchten neuronale Korrelate prosozialer Entscheidungen in einem ökonomischen Paradigma mit unterschiedlichen Rezipienten (in der SVO-Studie war ein anderer Studienteilnehmer der Rezipient (Kuss et al., 2015), in der Charity-Studie eine Spendenorganisation (Kuss et al., 2013)). Die Effort-Studie (Hernandez Lallement, J.*, Kuss, K.*, Trautner, P., Weber, B., Falk, A., Fliessbach, 2014) erweiterte diese Erkenntnisse um den Aspekt der Leistung bei prosozialen Entscheidungen und ging der Frage nach, ob „verdientes“ Geld neuronal anders verarbeitet wird als „geschenktes“ Geld. Sowohl die SVO- als auch die Charity-Studie verwendeten ein Entscheidungsparadigma, welches der Ökonomie angelehnt ist (sog. modifiziertes Diktatorspiel). Dieses ermöglichte die einzelnen Phasen prosozialer Entscheidungen (vor, während, nach der Entscheidung) zu untersuchen, wobei der Fokus auf die Belohnungsareale des menschlichen Gehirns gelegt wurde. In der SVO-Studie (Kuss et al., 2015) fanden sich während prosozialer Entscheidungen für eine andere Person Aktivierung in belohnungsassoziierten Arealen (ventromedialer prefrontaler Cortex, medialer orbitofrontaler Cortex), sowie Aktivierungen in Arealen, die mit kognitiver Kontrolle und Deliberation assoziiert sind (dorsomedialer prefrontaler Cortex). Somit zeigten sich, neben den belohnungsassoziierten Aktivierungen, neuronale Indikatoren weiterer kognitiver Prozesse, im Sinne der Kontrolle über primär eigensinnige Motive. Zudem liefert die Studie Erkenntnisse bezüglich interindividueller Unterschiede von Probanden mit unterschiedlicher sozialer Wertorientierung (social value orientation: prosoziale versus egoistische Wertorientierung; Van Lange, 1999). Wir fanden behaviorale und neuronale Indikatoren automatisierten prosozialen Verhaltens von prosozialen Probanden, sowie verstärkter deliberativer Prozesse von egoistischen Probanden während prosozialer Entscheidungen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass prosoziales Verhalten je nach Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals social value orientation (SVO) entweder eher intuitiv ist, oder einer Unterdrückung eigensinniger Impulse und somit kognitiver Ressourcen bedarf. Im Anschluss an die Entscheidung induzierten wir Belohnungsvorhersagefehler (Englisch: Reward Prediction Error, RPE). Belohnungsvorhersagefehler für den eigenen Geldgewinn sind durch neuronale Aktivität im Nucleus accumbens (NAcc) – einem Teil des mediostriatalen Belohnungssystems – repräsentiert (Pagnoni, Zink, Montague, & Berns, 2002; Schultz, 1998). In der Charity-Studie (Kuss et al., 2013) konnten wir durch unsere experimentelle Manipulation erstmals ein äquivalentes RPE-Signal für einen Spenden-Geldbetrag – und somit einen für das materielle Selbstinteresse der Person völlig irrelevanten Geldbetrag – in der gleichen Hirnregion nachweisen. Dies traf nur für Probanden zu, die bereit waren auf den eigenen Gewinn zugunsten der Spendenorganisation zu verzichten und somit auch behavioral demonstrierten, dass sie der Spendenorganisation einen hohen Wert beimessen. Die Effort-Studie (Hernandez Lallement, J.*, Kuss, K.*, Trautner, P., Weber, B., Falk, A., Fliessbach, 2014) knüpfte an diese Ergebnisse an und erweiterte diese um den Aspekt der Leistungserbringung bei prosozialen Entscheidungen, d.h. konkret inwieweit die Tatsache, ob jemand für einen Geldbetrag eine Leistung erbracht hat, oder nicht (Windfall-Money), die neuronalen Reaktionen auf diese Geldbeträge verändert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das menschliche Gehirn Kontextfaktoren, bzw. die Umstände des Erhalts einer Belohnung, kodiert: Es zeigte sich eine stärkere Assoziation der Aktivierung in Belohnungsarealen (NAcc) mit der Höhe des „verdienten“ Geldes, wenn das Geld durch das Lösen einer anstrengenden Aufgabe geschah. In ähnlicher Weise zeigte sich eine Assoziation mit der Höhe des Verlustes dieses Geldes in der anterioren Insel. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass das Gehirn den subjektiven Belohnungswert kodiert und neben dem absoluten Wert einer Belohnung Kontextfaktoren berücksichtigt. Die Studien zeigen, dass soziale und nicht-soziale Kognition die gleichen Hirnareale aktivieren und ebenso Belohnungszentren des Gehirns während prosozialer Entscheidungen aktiviert sind, wie es während individueller Entscheidungen der Fall ist. Diese Aktivierungen in klassischen Belohnungsarealen des Gehirns können als neuronaler Indikator für den Belohnungswert prosozialen Verhaltens gedeutet werden und legen den verlockenden, jedoch mit Vorsicht zu ziehenden Schluss nahe, dass prosoziales Verhalten belohnend ist. Zudem werden komplexe Kontextinformationen (Umstand des Erhalts einer Belohnung) durch das menschliche Gehirn kodiert. Dies könnte ein neuronaler Indikator der erhöhten Sensitivität bezüglich Belohnungen und Verlust nach starker Anstrengung sein – ein aus ökologischer Perspektive adaptiver Mechanismus. Zudem bieten die Paradigmen der SVO- und der Charity-Studie mit der Einführung des Belohnungsvorhersagefehlers (RPE) eine geeignete Methode, zwei Ereignisse getrennt zu beobachten, die per se miteinander verknüpft sind: Neuronale Reaktionen in Zusammenhang mit der Belohnung und der Entscheidung, die zur Belohnung führt
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